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Vorvermarktung von Glasfasernetzen: Strategie und Hebel

26. April 2022 | Autor: David Hetz, Senior Consultant Vivax Consulting GmbH

Wenn es um die Entscheidung in den Glasfasereinstieg oder den weiteren Glasfaserausbau von Gebieten geht, muss zuvor gerechnet und analysiert werden, ob sich ein eigenwirtschaftlicher Ausbau rechnet. Hierzu wird im Markt für gewöhnlich auf eine Vermarktungsstrategie gesetzt: Eine Nachfragebündelung, auch Vorvermarktung genannt, um die erheblichen Investitionen abzusichern. Mit einer solchen Strategie will das auszubauende Unternehmen im Vorfeld möglichst viele Bürger überzeugen und an Verträge binden, bevor das Netz ausgebaut ist – gemäß dem Ansatz „sell first – build later“.

Vorplanung bei Breibandnetzen
Project Description

Mindestquote muss erfüllt werden

Ist eine bestimmte Mindestanzahl von Produktverträgen und damit die Mindestquote erreicht, lohnt sich der Ausbau wirtschaftlich und eine Ausbauentscheidung kann getroffen werden. Die Vorvermarktungsphase ist somit der eigentliche Start eines Glasfaser Roll-Outs. Sie dauert in der Regel drei bis vier Monate und beinhaltet einen kostenlosen oder stark vergünstigten Hausanschluss. Marktübliche Vorvermarktungsquoten liegen zwischen 20 und 40 Prozent der potenziellen Haushalts- und Gewerbekunden. Im Gegensatz dazu gibt es eine Push-Vermarktung, in der alle Gebäude erschlossen werden, welche einem Glasfaseranschluss zustimmen. Die gesamte Take-up-Rate beim Glasfaseranschluss in Deutschland liegt derzeit bei 43 Prozent (Breko, Marktanalyse 2021). 

Clusteranalyse als Basis

Erfolgreiche Projekte zeigen, dass eine clusterweise Vorvermarktung vorteilhaft ist. So können Bürger gezielter informiert sowie ein möglichst konkreter Ausbauhorizont kommuniziert werden. Aus unserer Umsetzungserfahrung hierzu ist jedoch zuvor eine Clusteranalyse nötig, welche die Ausbaureihenfolge der geplanten Cluster ermittelt. Ein Cluster ist ein Ausbaugebiet, welches aus technischen, geographischen, vertrieblichen und wirtschaftlichen Aspekten eine möglichst sinnvolle Einheit für Ausbau und Betrieb bildet. In einer Business-Case-Betrachtung können anschließend die Mindestvermarktungsquoten – eine notwendige Take-up-Rate - für die jeweiligen Gebiete berechnet werden, um eine Gesamtwirtschaftlichkeit des Projekts gestalten zu können. Denn je nach Gebiet können die Oberflächenbeschaffenheit, Besiedlungsdichte und Vertriebspotenzial unterschiedliche Investitionen nötig machen, mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaftlichkeit. Solche Clusteranalysen oder auch die Vorvermarktung sind natürlich nicht zum Nulltarif zu haben, amortisieren sich aber durch eine höhere Netzauslastung in der Regel bereits zu Beginn des Roll-outs.
Aus unserer Erfahrung heraus muss jedoch noch ein Punkt beachtet werden: Cluster mit günstigen Topologien und einer besseren Wirtschaftlichkeit können wirtschaftlich grenzwertige Gebiete durch eine erfolgreiche Vorvermarktung tragen, so dass dennoch ein breitflächiger Ausbau und ein wirtschaftlicher Betrieb in der gesamten Fläche möglich wird. Mit Hilfe einer solchen Mischkalkulation und einer Aufnahme von teilweise weniger wirtschaftlichen Teilgebieten – hin zu großflächiger betrachteten Clustern – kann eine höhere Anschlussquote erzielt werden.  

Vorvermarktung reduziert Investitionsrisiken

Wir empfehlen eine Vorvermarktung, da sie als ein wichtiges Instrument zur Absicherung des Investitionsrisikos dienen kann, mit dem die Nachfrage schon im Vorfeld erhöht wird. Zwar benötigt eine Vorvermarktung immer Zeit, der Bau verzögert sich somit entsprechend. Dafür spricht jedoch, dass schon zum Projektstart viele Kunden auf dem Netz sind, die die hohen Fixkosten – gerade zu Beginn – decken können. Zudem besteht immer die Gefahr, dass Wettbewerber im selben Gebiet während der Bauzeit einen parallelen Ausbau starten, der das Kundenpotential ohne die entsprechende Absicherung verringern würde. Besonders aus vertrieblicher Sicht ist deswegen eine hohe Präsenz im Rahmen der Vorvermarktung sinnvoll. Aktivitäten vor Ort durch Door-to-Door-Vertriebsmitarbeiter, Townhall-Meetings, Außenwerbung und andere Maßnahmen erzeugen wichtige Multiplikator-Effekte.  Dabei sollte nicht nur Aufmerksamkeit geschaffen, sondern auch die Notwendigkeit des Ausbaus erklärt und die Bürger von der Glasfaser überzeugt werden. Besonders Stadtwerke und Energieversorger können bei einer Vorvermarktung Zusatzpotenziale schaffen, insbesondere durch Cross-Selling-Aktivitäten, wie etwa Kundenboni, die Koppelung mit Stromverträgen oder anderen Angeboten.

Nachfassen lohnt sich

Gegen eine Vorvermarktung könnte sprechen, dass die Cluster aufgrund des Nichterreichens der Mindestquote nicht ausgebaut werden. Erreichen jedoch einzelne Cluster die Quote nicht auf Anhieb, empfehlen wir eine Wiederholung der Vorvermarktung beispielsweise nach zwei Jahren, da sich das Meinungsbild der Bürger bei einem Ausbau benachbarter Cluster oftmals grundsätzlich ändert. Des Weiteren kann bei Nichterreichen der vorgegebenen Quote auch mit der Kommune in Verhandlung getreten werden. Durch die Kombination aus eigenwirtschaftlichem Ausbau und Fördermitteln kann so die Wirtschaftlichkeit auch bei einer geringeren Quote hergestellt werden.

Starten, nicht warten

Nach Abschluss der Vorvermarktungsphase sollte ohne weitere Verzögerung die Bauplanung für das Glasfasernetz durchgeführt werden, um eine zügige Realisierung bewerkstelligen zu können. Es empfiehlt sich zudem, eine Bauvermarktung zu organisieren, da durch diese in der Praxis erfolgreich die letzten unschlüssigen Kunden gewonnen werden können, „wenn die Bagger in der Straße sind“.
Eine Vorvermarktung ist somit ein wichtiges Instrument, um beim eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau das Risiko zu verringern. Jedoch bedarf sie einer gründlichen Vorbereitung inklusive einer Clusteranalyse mit entsprechenden Business-Case-Betrachtungen sowie einer durchdachten Marketing- und Vertriebsstrategie, um erfolgreich zu sein. Letztendlich muss der Vertrieb die Kunden überzeugen, einen Produktvertrag abzuschließen. Somit steht und fällt die Vorvermarktung mit einem guten Vertrieb.

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